„Es fliegt eben nicht an jeder Ecke was in die Luft“ – Freizeitreisen in Krisengebiete

Markus gibt den Großteil seines Geldes für Reisen aus. Aber nicht irgendwelche Reisen. Er war schon in Somaliland, im Irak, in Mikronesien, in Äquatorialguinea, in Tibet – um nur einige zu nennen. Ich habe mit ihm über seine Reisen in exotische Gebiete gesprochen.

Markus, du hast andere Reiseziele als die meisten anderen Menschen. Wonach suchst du sie aus?

Ich fahre in Länder, wo die politische Stabilität bedroht ist oder wo es gar nicht erst so etwas wie Stabilität gibt. Manche davon kann man nur besuchen, wenn die Polizei als Begleitschutz mitfährt.

Warum gerade diese Länder?

Politisch stabile Länder kann ich in zehn, zwanzig, dreißig Jahren immer noch besuchen. Bei meinen Destinationen ist das anders. Mir geht es darum, lokale Bräuche kennenlernen oder Gegenden, in denen traditionelle Kleidung getragen wird – ich brauche nicht wegzufliegen, um es so ähnlich zu haben wie hier. Die Gegenden, die ich aufsuche, werden kaum von Touristen bereist. Da ist man schon etwas Besonderes. Wiederum habe ich bei Ländern, die der klassische Tourist eher ansteuern würde, tatsächlich große Lücken.

Welche Gegenden interessieren dich?

Ich war zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo und wollte dort den größten aktiven Lavasee der Welt sehen. Das war gar nicht so einfach: Zum einen darf der Vulkan keine zu große Aktivität zeigen; das wäre zu gefährlich. Dann muss die Lage einigermaßen stabil sein, es darf also nicht gerade Rebellenkämpfe geben. Und keinen Ebolaausbruch. Als die drei Punkte geklärt waren und wir losmarschieren konnten, galt es, 1700 Höhenmeter zu bewältigen, um den sehr aktiven Vulkan Nyiragongo zu sehen. Wir sind mit einer ganzen Mannschaft hochgegangen: ein Team von schwerbewaffneten Rangern, die dafür gesorgt haben, dass nichts passiert, Träger, die das Gepäck, die Lebensmittel und das Wasser hochgetragen haben, Köche, die an der Feuerstelle Nahrung und Tee zubereiten sollten. 

Genau aus diesem Grund buche ich immer organisierte Reisen und bin nie auf eigene Faust unterwegs. Das wäre zu kompliziert.

Hast du Angst?

So eine Reise ist nie frei von Risiko. Du brauchst schon Mut, um diese Regionen zu sehen. Allerdings schaue ich mir im Vorfeld die internationale Berichterstattung zur Lage vor Ort an und sage auch schon mal meine Teilnahme ab, wie zum Beispiel bei einer geplanten Reise nach Afghanistan. Das ging von der Sicherheitslage her einfach nicht. Aber ich möchte da auf jeden Fall noch hin.

Ruinenstätte Nan Madol auf Pohnpei (Mikronesien)

Wie bereitest du dich auf deine Reisen vor?

Es gibt nicht so viele Reiseführer für die Länder, in die ich fahre. Deshalb kaufe ich jetzt schon alte Reiseführer für einige Länder, die ich möglicherweise mal bereisen werde, wenn ich sie zufällig irgendwo entdecke, um Hintergrundinformationen zu haben. Bei Internet-Informationen musst Du vorsichtig sein. Wenn du dir beispielsweise die Seiten des Auswärtigen Amts anschaust, kannst du nirgendwohin reisen – die führen wirklich alles auf, was einem dort zustoßen könnte. Dann traut man sich gar nicht mehr. Besser einschätzen kann man die Lage, wenn man lange vor einer Tour beginnt, Nachrichten lokaler Agenturen des Reiselandes im Internet zu recherchieren.

Hat sich dein Weltbild verändert, seit du so reist?

Ich weiß jetzt, dass die Welt nicht so schlecht ist, wie sie durch die Presse hierzulande dargestellt wird. Es gibt Regionen, die hier abgewertet werden – sowohl von den Medien als auch von der Politik. Das finde ich traurig. Oft heißt es, dass dort an jeder Ecke etwas in die Luft gehen kann. Wenn du aber vor Ort bist, ist es ganz anders: Dann sind die Leute offen, sitzen fröhlich und entspannt im Café. Du kannst dich dazusetzen und sie werden dich neugierig fragen, wo du herkommst.

Hat sich dein Deutschlandbild verändert, seit du so reist?

Ich habe mehr Verständnis für Migrationsbewegungen, seit ich Leute aus Ländern kenne, die als Migrationsländer bekannt sind. Die meisten wollen hier nur ein bisschen Geld verdienen, um dann wieder zurückzugehen. Das weiß ich, weil ich auf meinen Reisen viele der Rückkehrer getroffen habe, manche sprechen sogar richtig gut deutsch. Die sind dann erstaunt, Deutsche in ihrer Heimat zu treffen – das sind sie nicht gewohnt. In Khartum, der Hauptstadt von Sudan, ist mal ein Auto neben mir stehengeblieben, der junge Fahrer hat das Fenster heruntergekurbelt und mich auf Deutsch gefragt: „Was machst du denn hier? Hast du Zeit? Dann lade ich dich heute Abend ein.“ Die haben einfach auf gut Glück angenommen, dass ich Deutscher bin. Leider konnte ich die Einladung nicht annehmen, weil ich mit einer Gruppe unterwegs war. Aber das sind Begegnungen, die du nicht vergisst, auch wenn sie nur eine Minute andauerten.

Tempelanlage in Oshogbo (Nigeria)

Welche besonderen Situationen hast du schon mal erlebt?

In Barentu, einer Provinzstadt im Westen Eritreas, wollte unsere Gruppe mal Kaffee trinken. Aber „mal schnell eben“ gibt es dort nicht. Als wir im Café angekommen waren, haben die angefangen, die Kaffeebohnen über der Holzkohle zu rösten. Bis der Kaffee dann wirklich vor uns stand, waren 45 Minuten vergangen – aber so ist das eben bei der klassischen Zubereitung. Es war auch schwierig, ihnen etwas für ihre Mühe dazulassen; sie wollten unser Geld nicht annehmen. Wir mussten sie erst überreden, damit wir überhaupt etwas dalassen konnten.

Welcher Ort hat dich überrascht?

Bei unserer Tour in Asmara, der Hauptstadt von Eritrea, wurde ein Schrottmarkt als Highlight angepriesen. Das war erst einmal ungewöhnlich. Wobei der Medebar-Markt sich aber tatsächlich als besonders herausstellte: Die Leute waren beschäftigt, wuselten herum: Sie stellten aus dem Müll und Schrott, der täglich angeliefert wurde, brauchbare Produkte aller Art her – bis hin zu funktionierenden Fahrrädern. So eine Art Upcycling.

Was ist das Fazit deiner bisherigen Reisen?

Je ärmer ein Land ist, desto gastfreundlicher sind die Menschen. Die Bevölkerung dort weiß, dass alle es nur gemeinsam schaffen.

Hat dir Markus’ Erzählung gefallen? Hier geht es zu seinem ausführlichem Bericht von Nordkorea.

Und hier geht es zu einem Interview mit Miriam, die allein in Afrika reist: „Als Frau allein nach Afrika reisen?“

1 Kommentar zu „„Es fliegt eben nicht an jeder Ecke was in die Luft“ – Freizeitreisen in Krisengebiete“

  1. Pingback: Urlaub in Nordkorea – Krasse Eloquenz

Kommentarfunktion geschlossen.