Verbrüderung mit dem vermeintlichen Feind. Oder: Urlaub in Nordkorea

Sven und Markus haben unabhängig voneinander Urlaub in Nordkorea gemacht. Dass es zwar anders, aber ganz und gar nicht spaßbefreit war, liest du in diesem Interview.

Wann habt ihr das Land besucht und wie lange wart ihr dort?

Markus: Bei mir war das 2012; ich war zehn Tage da.

Sven: Ich war ein Jahr später da und auch nur eine Woche. Wobei das schon ein heikles Jahr war: Wegen der angespannten politischen Lage in dem Jahr haben alle großen Gesellschaften ihre Reisen dorthin abgesagt; die Landesgrenzen waren längst geschlossen. Das hatte zur Folge, dass mein bester Reisebuddy Alex und ich immer alleine in dem Land waren. Es ging so weit, dass ganze Hotels nur für uns beide geöffnet hatten. Egal, wo wir hinkamen – wir wurden immer gefragt, wieso wir uns in dieser angespannten internationalen Lage trauen würden, dort Urlaub zu machen.

Warum habt ihr euch getraut?

Sven: Ja Gott, wir hatten die Reise gebucht. Die Frau meines Kumpels wollte nicht, dass er fährt, und ich hatte schon gedacht, ich muss alleine fliegen. Er ist dann mitgekommen – aber danach haben die beiden sich getrennt. (Er lacht.)

Großmonument Mansudae, Pjöngjang

Warum habt ihr ausgerechnet Nordkorea besucht?

Markus: Es war das erste Land, in dem ich komplett in die dortige Kultur eintauchen konnte. Der Staat ist isoliert und frei von fremden Einflüssen. Erstaunlich, dass das in der heutigen Zeit noch so funktioniert. Dort kannst du keine ausländische Musik hören. Du kannst auch keine Nachrichten abrufen, keine Informationen dringen von außen ein, null. Die Leute, die dort wohnen, kennen im Regelfall nichts anderes, nur ihr Land.

Sven: Genau. Du solltest dich deshalb auch mit deiner eigenen Meinung zurückhalten, selbst auf dem Hotelzimmer. Da kann sich während des Aufenthalts jede Menge Gesprächsstoff aufbauen. Aber lästern kann man, wenn man wieder aus dem Land ist.

Meint ihr, ihr habt das echte Nordkorea gesehen? Was war euer Eindruck von dem Land?

Markus: Nordkorea wirkte auf mich wie ein großes Freilichtmuseum. Es gab einiges zu sehen, was ich als Kulisse beschreiben würde. Ich hatte den Eindruck, dass dort geschauspielert wird, zum Beispiel einmal in einem buddhistischen Tempel: Ich könnte mir vorstellen, dass die Mönche Schauspieler waren. Den Touristen wird das gezeigt, was präsentabel erscheint, wobei das teils herausgeputzt, teils aber auch ärmlich ist. Wenn man zufällig das Ärmliche zu Gesicht bekommt, wird darauf geachtet, dass man es nicht fotografiert. Das klappt mal besser, mal schlechter. Manchmal heißt es auch, dass keine Genehmigung vorliegt, einen Bezirk zu betreten – aber das kannst du als Fremder ohnehin nicht nachprüfen.

Wie läuft ein Besuch in Nordkorea ganz praktisch ab?

Sven: Es gibt dort festgelegte Touren, die man buchen kann. Du kannst richtig Geld ausgeben. Dadurch dass es immer dieselben Touren sind, haben die Nordkoreaner Routine darin. Und wenn man mitspielt – sich vor den Statuen verbeugt, keine doofen Bemerkungen macht –, hat man dort auch eine gute Zeit. Die machen für Besucher eine ganze Menge. Bei uns haben sie immer nette Events reingestreut, die aussahen wie Gimmicks, nach dem Motto: „Wir könnten noch das und das machen.“ Zum Beispiel konnten wir die Spezialität eines Hotels testen: den Muschelgrill. Das war eine Art heiße Platte. Es war sicherlich im Vorfeld geplant, trotzdem aber witzig. Anschließend gab es Bier und Essen satt am Büfett. Da wir uns zu fünft mit unseren Begleitern – dem Reiseleiter, dem Übersetzer und dem Fahrer – eine Flasche Schnaps geteilt hatten, waren wir am Ende alle strunzbesoffen. Es war ein extrem schräger Abend mit Verbrüderungsszenen und teils offenen Gesprächen. Das kam aber auch daher, dass Alex und ich allein in dem Land waren und ein Exklusivprogramm bekamen.

Markus: Unsere Reisegruppe hatte zwei Begleiter: jemanden, der sich auskannte, und jemanden, der uns als Praktikant vorgestellt wurde, wobei das sicherlich ein Mitarbeiter vom Geheimdienst war. Beide konnten Deutsch – die Menschen werden so ausgewählt, dass sie die Sprache der Besucher sprechen. Allerdings verstanden sie in meinem Fall kein Englisch. Deswegen war ich ihnen mit meinen englischsprachigen Reiseführern suspekt – sie wussten schlichtweg nicht, was drinstand.

Wie habt ihr die Leute erlebt?

Sven: Ja, gar nicht. Wenn man dort die Straße langgeht, gucken alle zu Boden. Selbst in der U-Bahn tun die Leute alles, um keinen Blickkontakt zu haben. Es ist verboten, dort mit Privatpersonen zu sprechen. Ich wollte ein Eis kaufen, aber das war nicht gestattet. Wobei ich davon ausgehe, dass es in Nordkorea ein normales Sozialleben gibt. Die jungen Mädchen in Pjöngjang haben Handys wie wir; die sitzen auf der Mauer und hacken wie blöde auf ihren Smartphones herum – das ist hier nicht anders. Auch war einer unserer Begleiter schon ein netter Kerl: umgänglich, freundlich, lustig – und dabei hoher Geheimdienstler. Ich fand die Ambivalenz von diesem Typen schon spannend.

Markus: Auch bei mir haben sich die Leute weggedreht, wenn sie uns gesehen haben. Denn die Kontaktaufnahme mit Ausländern kann schon arge Schwierigkeiten bedeuten. So sieht man auf der Straße viele, die einen nichtssagenden Gesichtsausdruck haben, den man als beklemmend interpretieren könnte. Die Angestellten aber waren freundlich. Ich habe mal in einem Laden eingekauft; das war interessant: Zuerst habe ich alle Waren zusammengestellt, für die eine Rechnung geschrieben wurde. Man hat mir das Schriftstück ausgehändigt und ich sollte damit an einen Schalter gehen, um die Rechnung zu begleichen. Dort bekam ich dann einen Stempel, der erst an einem weiteren Schalter begutachtet wurde, bevor ich schließlich meine Produkte ausgehändigt bekam und den Laden verlassen konnte.

Monument zur Gründung der Partei der Arbeit Koreas, Pjöngjang

Was habt ihr noch erlebt?

Markus: Ich war beim Arirang-Festival – das ist eine Massenveranstaltung im größten Stadion der Welt. Unten gab es die teuersten Plätze, dort saß man in Ledersesseln. Ich war oben auf den billigen Plätzen für 80 Euro, aber das reichte vollkommen. An dem Spektakel haben Zehntausende mitgewirkt: Tanzformationen, Chöre und sogar ein lebendiges Mosaik aus Menschen, die Papptafeln trugen und diese im Rahmen der Choreografie drehten, sodass sich das Bild wandelte. Das alles militaristisch sauber durchgedrillt. Aufgeführt wurde die Geschichte des Staates gemäß der Ideologie.

Ich habe auch die Demarkationslinie im Süden besucht, dort wurde das Waffenstillstandsabkommen zwischen Nord und Süd geschlossen. Auf dem Gelände sieht man Hütten, in denen sich die Delegationen beider Länder treffen. Und in diesen Hütten, da gibt es eine Linie, die quer über den Tisch in der Mitte geht und beide Staaten trennt. Man kann theoretisch um den Tisch herumgehen und wäre dann in Südkorea, bloß ist die Tür auf der anderen Seite zu. Besucher aus Südkorea kommen erst in der zweiten Tageshälfte; man begegnet sich nicht.

Was ist euer Fazit zu Nordkorea?

Markus: Mich hat die Reise nachhaltig beeindruckt. Seitdem reise ich in Länder, in denen die Uhren etwas anders ticken als hier.

Sven: Auch wenn man sich die Frage stellen muss, ob es okay ist, in einem solchen Land Urlaub zu machen, da man damit das Regime finanziell unterstützt, kann ich sagen: Neben dem Besuch in Myanmar hatte ich in Nordkorea die beste Zeit.

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2 Kommentare zu „Verbrüderung mit dem vermeintlichen Feind. Oder: Urlaub in Nordkorea“

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