Modern Art at its best

Ich mag es ausgefallen, deshalb sagte ich, als meine Freundin Ilka mich für das Wochenende zu gleich zwei Ausstellungseröffnungen einlud, sofort zu. Sie kannte eine Bildhauerin, die uns mitnehmen könnte. Ilka selbst war stadtbekannte Perlendreherin, drehte aus Kalendern, die ihren Geist am Jahresende ausgehaucht hatten, Papierperlen, die sie auf Flohmärkten zu je 2 Euro pro Perlenkette zu verscherbeln suchte; 2000 Stück hatte sie schon. Gebastelt.

Im Erdgeschoss, das wir am Ausstellungstag zu dritt betraten, hingen ganz normale Bilder. Alles im grünen Bereich. Manche waren abstrakt, jedoch stets mit einer Tendenz zum Konkreten. Im oberen Stockwerk gabs Fotografien, ebenfalls unspektakulär. Das untere Stockwerk, der Keller, roch muffig, wie es Keller an sich haben. Vielleicht trug diese Tatsache zu der Aussage der dort befindlichen Kunstwerke bei. Ausgestellt waren Schwämme unterschiedlicher Couleur, von Rot über Türkis bis Braun, jeweils zu Dreiergruppen zusammengefasst. Der Künstler stand strahlend und erklärbereit daneben, erläuterte seine Schwamminstallation, gab auf Nachfragen sogar zu, dass es handelsübliche Schwämme seien. „Die vom Baumarkt.“ Gott sei Dank, endlich konnte ich was sagen und nicht nur eine bedeutungsvolle Miene aufsetzen: „Ich kenne die nur in Klein. Wo gibts die denn in dieser Größe?“ Er nannte mir seine Bezugsquelle, dabei hatte ich Zeit, mir etwas Sinnvolles, Aussagekräftiges zurechtzulegen. „Also die drei da, die in Braun – den mit Tigermuster und den Naturschwamm, die finde ich besonders schön.“ Noch war ich am Überlegen, ob ich nach der Message des Kunstwerks fragen sollte (wahrscheinlich sogen sie nicht nur den Schimmel in diesem Keller, sondern dieser Welt auf), da wurde ich von der Bildhauerin in den nächsten Raum geschoben, in dem Plastiken ausgestellt waren: appetitlich aussehende Camembertstückchen. Irgendjemand lachte in der Ecke – offenbar hatte ich meinen Gedanken laut geäußert.

„Entschuldigung, das ist meine erste Ausstellung“, gab ich kleinlaut zu.

Ilkas Begleitung wusste nicht, ob sie uns die zweite Vernissage zumuten konnte. Erst jetzt kam ans Licht, dass es sich dabei um eine Penisausstellung handelte.

„Die nehmen wir auch noch mit“, entschied ich.

Langsam kam ich in Stimmung. Kunst musste provokant sein. Was lag da näher, als Penisskulpturen auszustellen? Ich würde die zweite Ausstellung auf mich wirken lassen – wie ein echter Kenner. Womit wir nicht gerechnet hatten: Männliche Glieder waren heutzutage nicht so nachgefragt wie Putzschwämme, rissen keinen mehr vom Hocker, versetzten niemanden in Ekstase: Die Lagerhalle war fast leer; wir konnten die volle Pracht ungestört begutachten. Die quadratischen Bilderdrucke (keine Skulpturen, wie schade) waren verschiedentlich kombinier- und beliebig verlängerbar. Auch hier klassisch in Dreiergruppen. Es fing an mit den Boxershorts – schlicht, mit Blümchenmuster oder mit aufgemalten Eihälften. Beim nächsten Bildstück ging es los mit der Hauptattraktion, die auf verschiedene Arten verziert war: mit Bären, die in Iglus saßen, Schleifchen, Brunnen, manche davon sogar umgekehrt herum auf dem guten Stück platziert! Beim Endstück, der Eichel, konnte man sich selbstverständlich ebenfalls für sein Lieblingsteil entscheiden. Und sich für 20 Euro einen längeren dazukaufen. Der Künstler kam erfreut auf uns zu, fragte, welcher Lümmel uns am besten gefiel, empfahl uns den Peniskonfigurator, eine Wand, auf der man sich nach Belieben den Schniedel des Abends zusammenstellen konnte. Gerade dachte ich über die Botschaft des Ganzen nach, da wurde ich von Ilka aus der Halle geschoben. Wir hatten genug gesehen.

Kunst verändert den Blick auf die Welt; das stimmt tatsächlich. Der Haushaltsputz erscheint mir in einem neuen Licht, hat an seiner Banalität eingebüßt, seit ich meine Putzschwämme vom Baumarkt beziehe. Ja, und die Penisse? Die Schelmin denkt sich nichts Böses dabei – und hängt sie sich zu Hause an die Wand. Wo sie hingehören.

Titelbild: © iStock/sbelov