Mephisto heißt unser Hund. Nein, nicht, was Sie denken. Ein nettes, braves Hündchen. Ein Rottweiler zwar, aber nur eine halbe Portion. Nicht wie der dicke Oswald aus dem Rahlstedter Weg, der auf seinem Spaziergang schwer stapfend vor unserem Grundstück sein Herrchen ausführt. Ob er bissig ist, der Mephisto? Um Gottes Willen! Er ist munter und kinderlieb und freundet sich auf Anhieb mit jedem an, der ein Leckerli, am liebsten aber eine Kabanossi, in der Hosentasche parat hält. Und wie er draußen im Garten herumtollt!
Nur eines, das kann er nicht leiden: allein zu Hause bleiben. Als vollwertiges Familienmitglied will er überall mit dabei sein. An vorderster Front. Sonst malträtiert er die Zeitung, die das Unglück hatte, auf dem Sofa liegengelassen zu werden. In der Luft tanzende Schnipsel begrüßen uns dann beim Hereinkommen. Oder er zerliest ein Buch, mit Vorliebe den Faust.
Deshalb musste eine Taktik her, eine möglichst ausgeklügelte. Den Hund im Bad einschließen! Wie findig. In diesem Haushalt gibt es keine notorischen Kloleser; somit ist das Badezimmer vollkommen druckerzeugnisfrei und wie geschaffen dafür, das Vorhaben umzusetzen. Das Schloss vom Bad dreht sich, schließt das traurig dreinblickende Tier ein. Ein bisschen gemein, aber was tut man nicht alles für den Erhalt der Lesekultur.
Eine Stunde später. Die Tür geht wieder auf, der Vorhang hebt sich wie nach der Pause zum zweiten Akt, doch Moment – der Vorhang ist überhaupt nicht da! Der Hund sitzt zufrieden auf seinem Hintern neben der Dusche und in der Dusche: kein Vorhang. Nicht mal ein durchsichtiger, auf dem in dezentem Grau Bugs Bunny aufgemalt war, in einem grünen Eimer sitzend, mit einer roten Karotte in der Hand, verschmitzt lächelnd. Wie schön er war. Doch was schön ist, währt nicht ewig. Das hat bestimmt schon der weise Konfuzius gesagt. Bugs Bunny grinste uns nun vom Fußboden entgegen. Viele kleine Plastikschnipsel ergaben eine durchaus interessante Badcollage, fast hätte man das bäderliche Gesamtkunstwerk bei Sotheby’s versteigern können. Man beließ es dabei, den Hund in die Ecke zu schicken. „Fort mit dir, du Hund!“
Geschichte wiederholt sich? Mitnichten. Im Minirock und Stöckelschuhen beuge ich mich über die Kloschüssel und hebe die Toilettenhandschuhe und das Schwämmchen auf, transportiere sie ins Wohnzimmer. Das Schminkzeug, das noch verstreut auf der Spiegelablage liegt, die Shampoos, das Duschgel, die Pinzette, die Make-up-Pads, Zahnbürsten, Zehennägelschneider, Zungenreiniger, Schimmel-Ex, Rohr-Frei, Ohrenstäbchen, Nasenhaarrasierer. Der Hund schaut interessiert zu, als ich die Klobürste an ihm vorbeitrage. Er ahnt was. Zwischenzeitlich hat sich auch Sladko gestylt und macht, eins, zwei, den neuen Duschvorhang Öse für Öse, ratzfatz, ab. Fertig. Der Hund weiß Bescheid, trottet niedergeschlagen ins Bad. Das Schloss dreht sich in der Tür, das der Eingangstür ebenfalls, der wilden Partynacht steht nichts mehr im Wege.
Einige Drinks und einige Stunden später. Die Tür vom Badezimmer öffnet sich, das grelle Licht blendet die müden, discobeleuchtungsverwöhnten Augen. Nichts Verdächtiges zu entdecken. Der Hund schläft auf seiner braunen Decke. Alles in Ordnung. Gott, sind wir gut!
Doch ganz hinten in der Ecke, hinter der Toilettenschüssel, da liegt etwas Weißes. Was wird es wohl sein? Es ist die Seife, Pardon: Es ist die Hälfte der Seife. Die andere Hälfte nicht aufzufinden, im gesamten Bad nicht, da vermutlich im Magen von Mephisto.
Armer Hund – böser Hund. Ach, ich weiß selbst nicht.
Ein ganz normaler Tag. Am Nachmittag. Es ist fast gar nicht schlimm, die Pinzette, die Make-up-Pads, die Zahnbürsten, den Zehennägelschneider, den Zungenreiniger, das Schimmel-Ex, das Rohr-Frei, die Ohrenstäbchen, den Nasenhaarrasierer, die Shampoos, das Duschgel, das Schminkzeug, die Klobürste rauszutragen, wenn man in den Supermarkt möchte. Inzwischen sind wir geübt, jeder Handgriff sitzt. Schlüssel umgedreht. „Ach Gottchen, die Seife!“ Schlüssel wieder nach links gedreht, Seife rausgeholt, raus hier.
Vollbepackt mit vielen schönen Sachen, die wir in unsere Höhle schleppen wollen, öffnen wir bei der Rückkehr die Haustür. Ein Begrüßungskomitee empfängt uns im Flur. Der Hund knurrt fröhlich, wedelt mit seinem Stummelschwänzchen, wir fühlen uns willkommen. Doch Moment mal – wieso eigentlich Hund? Was tut der hier? Und was ist mit Tür Nummer zwei? – überlegen wir und lassen die Einkaufstüten fallen. Oder lassen die Einkaufstüten fallen und überlegen dann – das lässt sich im Nachhinein nicht mehr rekonstruieren. Wir stehen vor dem Bad und ich deklamiere in Richtung Sladko (Mephisto hat sich außer Sichtweite gebracht): „Die Tür, Liebster, wer hat sie gefressen?“
Und wie die Tür aufgefressen wurde! Ein großes Loch prangt im unteren Bereich, durch das die halbe Portion hindurchschlüpfen konnte, um rechtzeitig zur Begrüßungszeremonie an der Haupttür zu erscheinen. Der Hund hatte einen teuflischen Plan: Erst hat er das Lüftungsgitter herausgerissen und anschließend, gut bei der Sache, ein Stück der Tür mit dazu. Dr. Kimble, der Arzt, der unschuldig und zudem permanent auf der Flucht war, wäre vor Neid erblasst.
Dem Hunde, wenn er nicht gut gezogen, wird selbst ein weiser Mann nicht gewogen.
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