Eine Frau, die als Tischlerin arbeitet. Wie spannend – dachte ich und habe Katrin direkt gefragt, ob ich sie interviewen kann. Am Ende war ich so begeistert, dass ich mich für einen Grundkurs im Tischlern angemeldet habe. – Aber lest selbst.
Wie sieht deine Wohnung aus?
Den Großteil habe ich natürlich selbst gebaut. Ansonsten besitze ich einige alte geerbte Stücke.
Was genau hast du selbst gebaut?
Wir haben zu Hause ziemlich wenig Platz und Stauraum, also wenige Fläche, wo man Schränke hinstellen könnte. Überall ist entweder eine Dachschräge, eine Tür oder ein Fenster. Deshalb ist es schwierig mit Möbeln von der Stange – wobei ich die auch nicht möchte. Deshalb habe ich für eine Dachschräge eine Art Einbauschrank gemacht. Eigentlich nur die Front – und dahinter sind Regale.
Meine Küche ist selbstgebaut, genau wie diverse Regale und ein Schreibtisch. Dann ein kleiner Wohnzimmerschrank und ein Eckregal, auf dem der Fernseher steht. Es gibt drei schlichte weiße Schränke, die ich habe auf Maß anfertigen lassen. Sie sind aus einem Material, das wir in meiner Werkstatt eher nicht verarbeiten können. Früher hatten wir auch ein Holzbett.
Mein Nachttisch ist der alte Nähtisch von meiner Oma. Mein Kleiderschrank ist ein Vertiko, den ich von einer Freundin geschenkt bekommen habe. Dann ist da eine uralte Kommode, die ich für 30 Euro aus einer Scheune mitgenommen habe – es können aber auch Mark gewesen sein. Solche alten Dinge habe ich dazwischen auch stehen.
Als ich damals zu meiner Frau gezogen bin, hatte sie eine improvisierte Küche, was eine Weile okay war. Dann flog als Erstes die Spüle raus; die habe ich neu gebaut. Als klar war, dass wir da länger wohnen würden, habe ich entschieden, dass ich die Küche selbst baue. Sie ist das Schönste, was ich für die Wohnung gebaut habe.
Wie viele andere Frauen kennst du, die auch Tischlerinnen sind?
Tatsächlich viele. Ich habe viele Jahre für die Handwerkerinnenagentur „Die Perle“ gearbeitet. Die ist ca. 1999 von zwei Tischlerinnen gegründet worden, die alleinerziehende Mütter waren und nicht mehr in ihren Jobs arbeiten konnten. Sie hatten damals überlegt, wie sie weiterhin Geld verdienen können. Da kam ihnen die Idee einer Handwerkerinnenagentur, weil es für selbständige Handwerkerinnen schwierig ist, an Aufträge zu kommen. Als ich die Agentur durch Zufall entdeckt habe, war ich gleich Feuer und Flamme – da war ich auch relativ am Anfang meiner Selbstständigkeit. „Die Perle“ hat mich genommen, weil ich damals noch Fußböden verlegt und geschliffen habe. Die beiden hatten nämlich schon eine Handvoll Tischlerinnen. Unter den Handwerkerinnen sind sie, glaube ich, am häufigsten vertreten. Es gibt auch eine Handvoll von Malerinnen. Im Bereich Elektrik und Gas-und-Wasser-Installation wirds schon schwierig; die gabs aber auch. Dann Zimmermannsfrauen – oder wie werden die genannt?
Zimmerfrauen? Klingt aber eher nach einem Zimmermädchen. Zimmermännin? Wie Landsmännin. – Keine Ahnung.
Der Beruf heißt ja Zimmermann – eigentlich total doof.
(Ich habe inzwischen nachgeschaut. Mit Zimmerfrau wird tatsächlich ein Zimmermädchen bezeichnet und im Österreichischen eine Zimmervermieterin/Wirtin. Die weibliche Entsprechung zu „Zimmermann“ lautet „Zimmerin“.)
Ich kannte eine einzige Zimmerin, die den Betrieb ihres Vaters übernommen hat und Meisterin gewesen ist.
Über die „Perle“ habe ich einen ganzen Pool an Tischlerinnen kennengelernt, aber eben auch Malerinnen und andere Handwerkerinnen, insgesamt einen buntgemischten Haufen.
Aber es arbeiten trotzdem mehr Männer in dem Beruf, oder?
Ja, definitiv. Es gibt zwar Frauen, die sich zur Tischlerin ausbilden lassen, um eine Basis zu haben. Die studieren aber anschließend, zum Beispiel Architektur oder Innenarchitektur. Es gibt nicht so viele, die weitermachen. Bekommen sie Kinder, sind sie raus aus dem Beruf.
Mein Kollege kommt aus einer Tischlerei, in der es relativ normal ist, dass Frauen ausgebildet werden und auch in dem Beruf bleiben. Ich selbst habe 1992 gelernt und hatte das große Glück, in einer Tischlerei zu landen, die vor mir auch schon Frauen ausgebildet hat. Zu dem Zeitpunkt war ich auch nicht die Einzige. Es gab noch eine Frau, die später Orgelbauerin geworden ist, dann aber Kinder bekommen hat und jetzt etwas anderes macht.
Über die Volkshochschulkurse, die ich leite, habe ich viele Frauen kennengelernt, die gern Tischlerin geworden wären – aber die Eltern hatten es ihnen ausgeredet. Die sind jetzt in meinen Kursen und bauen Möbel.
Was sind das für Frauen, die in deine Kurse kommen?
Es sind Frauen, die total Bock haben, mit Holz zu arbeiten, so wie andere Lust haben, mit Stoff oder Keramik zu arbeiten oder zu kochen. Hin und wieder sind auch Frauen dabei, die nie Tischlerin werden konnten, so ihr Hobby und ihre Leidenschaft für Holz ausleben und ganz unterschiedliche Sachen bauen. Sie alle fahren aus den unterschiedlichsten Ecken in und um Hamburg raus nach Bergedorf.
Im Anfängerkurs bekommen sie erstmal die Basics vermittelt, die Grundkenntnisse aus dem Tischlerhandwerk, dann steigert sich das, je nachdem, was sie wollen. Bis hin zum Stehen an der Kreissäge oder dem Zuschneiden von Platten oder dem Aufsägen einer Bohle. Dann kommt das Hobeln, sodass am Ende ein Schrank entsteht. Manche der Frauen sind seit fast zehn Jahren dabei.
Wieso hast du dich für den Beruf entschieden?
Das ist wirklich eine gute Frage, zumal keiner aus unserer Familie direkt aus dem Handwerk kommt. Mein Vater hat irgendwann Elektriker gelernt, hat das aber nicht weitergemacht. Für mich war nach dem Abitur – was ich immerhin gemacht habe – klar, dass ich nicht studieren würde, weil ich kein Lerntyp bin, sondern eher praktisch veranlagt.
Mit 18, 19 weiß man auch nicht genau, was man nach der Schule machen möchte. Man guckt und probiert aus. Irgendwann kam ich auf die Idee, ein Praktikum in einer Tischlerei zu machen. Ich hatte auch eine Tischlerei in Hamburg-Altona gefunden, musste da allerdings eine schräge Erfahrung machen. Als ich dort am ersten Praktikumstag ankam, fragte man mich: „Was willst du denn hier?“ – „Äh, Praktikum machen.“ Und dann hieß es: „Aber wir haben gar keine Toilette für dich.“
Ich hatte großes Glück, weil die Tischlerei in Glinde, wo ich dann schlussendlich das Praktikum absolviert habe, mich fragte, ob ich im Sommer jobben will – so bin ich an meinen Ausbildungsplatz gekommen. Nach der Lehre konnten sie mich aber nicht übernehmen, weil sie zu viele Gesellen hatten.
So bin ich auf Kreta gelandet. Ich habe an einem EU-Projekt teilgenommen, bei dem ein altes kretisches Haus restauriert werden sollte – die Stelle hatte ich über das Arbeitsamt gefunden. Für das Unterfangen wurden acht Handwerker zusammengetrommelt, unter anderem drei Tischler, ein Maurer, eine Gemälderestauratorin. Es war pures Glück, dass ich genommen wurde. 10 Tage später ging es auch schon los.
Das war eine tolle Erfahrung; für mich war es auch ein enormes Wachstum: zum ersten Mal von zu Hause weg, alleine im Ausland, neue Leute kennenlernen, raus aus dem gewohnten Umfeld. Wir haben uns im ersten Monat die Insel angeschaut und Griechisch gelernt. Im zweiten und dritten Monat ging es auf die Baustelle. Die Deutschen standen um 8 Uhr auf der Matte, irgendwann kamen die Italiener, die Griechen noch später.
Ein anderer Tischler und ich, wir wurden anschließend gefragt, ob wir Lust hätten, privat für jemanden den Innenausbau eines Hauses zu übernehmen. Da wir beide keine Verpflichtungen hatten, haben wir zugesagt und bauten 14 Tage später für einen Griechen Deckenvertäfelungen und die Galerie aus heimischem Holz, zusammen mit Tischlern vor Ort.
Wieder zurück in Deutschland, hatte ich noch einmal Glück, weil ich relativ schnell einen Job bekam – lustigerweise in dem Gebäude, in dem sich heute meine Tischlerei befindet: Es war meine Traumtischlerei, weil man dort mit Vollholz arbeitete. Nach drei Monaten musste ich mit einem, der nach mir gekommen war, wegen Auftragsmangel leider wieder gehen.
Damit ich nicht arbeitslos würde, hat mich meine Schwester in ihrer Firma für Altenpflege eingestellt; das war komplett was anderes. Altenpflege habe ich in während meiner Schulzeit und Ausbildung immer parallel gemacht. Da übernahm ich vier Jahre lang die Hauswirtschaftsdienste und Einkäufe. Parallel habe ich meine Selbstständigkeit aufgebaut.
Durch Zufall – Yogamatte an Yogamatte im herabschauenden Hund sozusagen – hatte ich jemanden kennengelernt, der auch Tischler war und einen freien Platz in der Gemeinschaftswerkstatt hatte. So bin ich 1998 hier in dem Gebäude gelandet.
Was genau stellst du als Tischlerin her, was ist dein Spezialgebiet?
Möbel. Ich bin keine Bautischlerin; alles, was mit Türen und Fenstern zu tun hat, mache ich nicht, obwohl ich es gelernt habe. Es ist nicht meins. Viele Jahre habe ich Fußböden verlegt, abgeschliffen, geölt und lasiert. Vor 15 Jahren hatte ich genug vom Fußbodenschleifen, weil ich danach total schrott war; das ist superanstrengend. Und vor acht Jahren habe ich auch aufgehört, Fußböden zu verlegen – ich brauchte immer eine Woche, bis ich mich wieder erholt hatte. Mit Mitte 40 wird alles nicht einfacher. Da habe ich gedacht: Das kann jetzt der Nachwuchs machen.
All die Jahre habe ich versucht, nur Vollholzmöbel anzubieten, allerdings wurde mir klar, dass ich davon nicht gut leben kann. Finanziell war ich immer am Limit. Irgendwann kamen die Kurse dazu; das war dann das i-Tüpfelchen. Es ist toll, diese Arbeit weiterzuvermitteln.
Vor fünf, sechs Jahren habe ich angefangen, Möbel mithilfe eines Programms zu planen und zu zeichnen und sie zufertigen zu lassen von Tischlereien, die viel breiter aufgestellt sind als wir, weil sie computergesteuerte Maschinen haben. Was ich jetzt beispielsweise regelmäßig mache, sind Schränke, die auf Maß gefertigt sind, bis auf den Millimeter – in dem Bereich habe ich mich schulen lassen. Wenn der Kunde einen Schrank haben möchte, der bis an die Decke reicht, fällt jedes Möbelhaus weg. Oder wenn er auf der linken Seite sechs Schubkästen haben will, in der Mitte nur drei – und darüber eine Garderobenstange. Die Schränke lasse ich zufertigen und mache selbst die Montage. Die Planung und der Einbau sind also von mir.
Was ist das Schönste oder Spannendste, was du mal gebaut hast?
Ich finde Küchen immer sehr spannend. Eine meiner Kundinnen hatte mich mal gefragt, ob ich auch für Privatleute Möbel baue. Inzwischen ist es so, dass alle Möbelstücke, die sie in ihrer Wohnung hat, von mir stammen. Sie weiß, dass ich das, was sie im Kopf hat, umsetzen kann. Die Krönung war die Küche, das Zentrum ihrer Wohnung – und die sollte ich bauen. Sie hat von mir eine wunderschöne Küche aus Kirschholz bekommen. Das war das Highlight.
Warum sind Küchen spannend?
Ich finde es toll, wenn man einen ganzen Raum mit dem bestücken kann, was man selbst angefertigt hat. Natürlich finde ich auch Esstische toll; ich habe schon wunderschöne Esstische gebaut. Oder Betten. Aber Küchen sind eine besondere Herausforderung.
Das Schöne ist, sie mit den Kunden zusammen zu entwickeln. Die haben meist das Küchenstudio im Kopf und sind ganz erstaunt, wenn ich sage, dass wir vollkommen davon abrücken und das machen können, was sie sich wünschen: Wir können von den Standardmaßen des Korpus wegkommen oder von der Höhe. Bei Ikea hast du zum Beispiel einen großen Verlust, weil die den riesigen Sockel unten haben. Diesen Raum kann man nutzen. Und wenn der Kunde 1,90 groß ist, ist es schön, wenn er eine entsprechende Arbeitshöhe hat.
Stichwort Ikea: Trifft man dich manchmal dort?
Ja, wenn ich Daim-Schokolade kaufe. (Sie lacht.)
Natürlich bin ich auch bei Ikea, aber da kaufe ich Handtücher, Teppiche und sowas. Keine Möbel.
Wenn die Kunden zu mir sagen, sie hätte bei Ikea etwas zu einem bestimmten Preis gesehen, winke ich gleich ab. Die Preisklasse kann ich nicht anbieten.
Du verwendest auch Materialien aus deiner Gegend, zum Beispiel hast du eine Eiche aus Aumühle verarbeitet. Arbeitest du also regional?
Teilweise kommen Hölzer aus der Region, manchmal aber von Übersee, wie Nussbaum und Kirsche. Aber es gibt natürlich auch die heimische Kiefer, Buche und Eiche, die wir verarbeiten.
Im Moment ist durch Corona alles durcheinandergerüttelt, zum Beispiel die Produktionswege. Dann durch die Umwelt: Käfer haben bestimmte Nadelwälder komplett zerstört. Deshalb muss das Holz woanders herkommen.
Die Eiche, die du meinst, war eine private Eiche. Der Kunde hatte sich in Aumühle ein Grundstück gekauft und wollte darauf ein Haus bauen. Deshalb musste die Eiche gehen. Das Gute war, dass sie nicht geschreddert wurde; der Kunde wollte aus ihr Möbel gebaut haben. Deshalb wurde sie gefällt, aufgeschnitten und ist zwei Jahre lang getrocknet. Dann haben sie mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, daraus nach und nach Möbel zu bauen. Das mache ich nun seit fünf oder sechs Jahren. Über die Zeit sind ein Esstisch, ein Bett, zwei Waschtische, mehrere Regale und ein Schreibtisch entstanden, alles aus diesem Baum. Das ist total toll.
Eigentlich denkt man zuerst: „Wie kann man nur so eine alte Eiche fällen?“ Dann ist es wiederum aber toll, dass man sie bewahrt hat und schöne Sachen daraus baut.
Welches Holz magst du besonders gern?
Ich mag viele Hölzer. Zum einen Nussbaum und Kirsche. Eiche ist auch wunderschönes Holz. Oder Esche. Was ich per se nicht verarbeite, sind Tropenhölzer, das lehne ich kategorisch ab, auch wenn die teilweise eine abgefahrene Struktur haben. Ansonsten finde ich fast alle heimischen Hölzer schön und kann mit allen was anfangen. Es ist nicht so, dass ich es verurteile, wenn jemand einen Esstisch aus Kiefer haben will.
Was sind das für Menschen, die dich beauftragen?
Es geht immer in Richtung Sonderanfertigung. Die Kunden finden das, was sie suchen, nicht im Internet – obwohl man da heutzutage fast alles bestellen kann. Es sind Kunden, die individuell denken und nichts aus einer Großproduktion haben möchten.
Das, was ich baue, bekommst du nicht von der Stange. Es gibt genug Menschen aus dem Mittelstand, die zu mir kommen und sich von mir Möbel bauen lassen wollen. In sehr vielen Fällen haben sie durch Mundpropaganda von mir gehört
Ich bin total begeistert, Katrin, vielen Dank für das Interview. Ich werde mich jetzt sofort für einen Grundkurs im Tischlern bei dir anmelden, um mal in dieses tolle Hobby – und den tollen Beruf – hineinzuschnuppern.
Dir hat das Interview gefallen? Dann schau doch gern mal in Katrins Tischlerei vorbei.