Evelin sollte heiraten. Evelin, die sieben Jahre lang Single gewesen war und zuletzt so verzweifelt, dass sie sogar dem schmächtigen Olaf eine Chance geben wollte. Die beiden dateten. Nach einer halben Rendezvous-Stunde schickte sie mir eine SMS aus dem Restaurantklo, mit der sie mich auf den neusten Stand brachte: „Es starrt mir auf den Ausschnitt.“ Olaf, das Tier. Die Korrekturhilfe, der Schelm.
Olaf schaffte es beim dritten Date tatsächlich, sie in sein Schlafzimmer zu lotsen, weil er dort die Bilder von seinem atemberaubenden Irlandurlaub aufbewahrte. Evelin saß auf seinem Bett, begutachtete jedes einzelne, extra langsam. Doch da verließen sie ihn …
Alle Bilder angeschaut, inklusive der aus seiner Schulzeit, weitere hatte er nicht. Nach mehreren Minuten verlegenen Herumsitzens traten sie unverrichteter Dinge wieder aus dem Schlafzimmer, begannen ein Gespräch, das nicht so recht Fahrt aufnehmen wollte. Kurz: Die Sache mit Olaf war schnell durch.
Nun wurde Evelin für alles bisher Gewesene entschädigt: mit Mann, Haus und sogar drei Windhunden. Patrick, ihr Zukünftiger, brachte neben den Hunden noch einen Papagei und ein Frettchen mit in die Beziehung, doch über die fünf kleinen bis mittelgroßen Mankos konnte sie großzügig hinwegsehen, denn Patrick war einfach cool.
Evelin und Patrick würden also heiraten. Was für eine Freude! Ich als beste Freundin hatte die Aufgabe, mir eine spektakuläre Überraschung auszudenken. Glitzernde Knete aus dem Internetversandhandel würde es in diesem Fall nicht bringen. Einhornzahnpasta? Ich weiß nicht … Ein Gedicht über die ewigen Jahre des Männerentzugs, in dem Foto-Olaf ebenfalls vorkam, schied auch aus.
Aber Lego! Ja, Lego sollte es richten. Ich beauftragte meinen Kumpel Andreas, auf der Legowebsite Figuren in der Anzahl der Hochzeitsgäste zu bestellen. Diese würden wir an alle Eingeladenen verschicken: Jeder sollte mit den Plastikgestalten eine Szene nachstellen, die er mit dem Hochzeitspaar verband, und die dann auf einem Foto festhalten.
Andreas leerte freudestrahlend den kleinen Samtsack über dem Tisch aus, aus dem unzählige Legomännchen und ‑weibchen fielen. Das Männchen war gelb, hatte einen roten Pullover an und statt der Haare einen Stöpsel auf dem Kopf. Na gut, Patrick hatte kaum Haare, das ging durch, aber warum der Stöpsel? Um einiges kritischer wurde die Lage, als ich Evelin sah. Die Lego-Evelin war brünett.
„Andreas, wie konntest du nur?! Evelin ist blond!“
Er tat es als Kleinigkeit ab, fand, das Ganze sei eh symbolisch – wozu der Aufstand?
Ich steckte die weibliche Legopopulation wieder in den Sack und begab mich abends im weltweiten Netz auf die Suche nach blondem Haar für Evelin. Das Haarteil ließ sich nämlich nach Belieben auf- und absetzen; auch Evelin hatte unter der Plastik-Haarpracht einen Stöpsel. Die blonden Haarteile waren nicht lieferbar, und zwar genau bis zum 15. August. Das war genau ein Tag nach der Hochzeit. Ich versuchte es mit blonden Zöpfen. Nicht lieferbar. Mit einem Stufenschnitt in Blond. Nicht lieferbar. Die Dame von der Legozentrale schlug mir einen Kurzhaarschnitt vor. Den hätten sie in Blond. Empört wies ich den Vorschlag zurück und ersteigerte mir über eBay einzeln diverse blonde Haarteile. Das Hochzeitspaar war über die ihnen bereitete Überraschung an kleinen fotografierten Plastik-Patricks und -Evelins sehr erfreut. Bloß wunderte der Bräutigam sich darüber, warum er einen Stöpsel auf dem Kopf hatte …
Vor der Hochzeit kommt das Dating. Hier zwei Satiren dazu:
A very blind date
Käffchen in Wilhelmsburg
Titelbild: © iStock/Ekaterina79
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