Begrüßung ist eine Kunst für sich. Das merkt man, wenn man nach Japan kommt. Ich aber war in unserem Kulturkreis unterwegs, genauer gesagt in England. On the road mit einem gemieteten Wohnwagen.
Als binneneuropäischer Passant zählt man dort bereits zu den Hasardeuren, die beim Überqueren der Straße gern von rechts überfahren werden. Oder ist es Ihnen als Fußgänger auf der Insel je gelungen, das Nach-links-Gucken vor dem Wechseln der Straßenseite aus Ihrem System zu kriegen? Ich fürchte, es ist inzwischen fest in unserer DNA abgespeichert und wird von Generation zu Generation weitervererbt. Deshalb rate ich in solchen Fällen zu einer Links-rechts-Kombination. Schauen Sie links, rechts, dann sicherheitshalber noch einmal rechts und links – wenn Sie Glück haben, ist von der rechten Seite in der Zwischenzeit immer noch kein Pkw herangebraust, der bereit wäre, Sie in der nächsten Sekunde zu überrollen. Versicherungsexperten stufen daher Menschen, die sich auf der Insel trauen und dann noch einen Wagen mieten, als selbstmordgefährdet ein.
Das Rechtsabbiegen aus dem Linksverkehr heraus ist schon eine Sache für sich. Daher mein Tipp: das Rechtsabbiegen nach Möglichkeit vermeiden. Und – das ist jetzt wirklich wichtig – das Abbiegen nicht mittels Scheibenwischer signalisieren, auch wenn sich der Blinker in Inselautos, wie es sich gehört, auf der verkehrten Seite befindet. Nicht alle englischen Autofahrer können das Betätigen des Scheibenwischers bei strahlendem Sonnenschein richtig einordnen, nämlich als Anzeigen der Abbiegeabsicht.
Doch das alles sind Peanuts im Vergleich zu den korrekten Umgangsformen, die in England vorherrschen. Es ist zum Beispiel eine Selbstverständlichkeit, dass Wohnwagenfahrer sich gegenseitig grüßen. Wehe, wenn nicht. Das wäre schlimmer, als in früheren Zeiten einen E-Mail-Kettenbrief nicht weitergeleitet zu haben. Mit Glück werden Sie dann lediglich die folgenden zweihundert Jahre von Pech verfolgt. Und können noch froh sein.
Im seltensten Fall winken Wohnwagenfahrer sich ganz normal zu, so als würden sie der Omi aus einem abfahrenden Zug winken. Manche Fahrer heben bloß lässig einen Finger. „Ich hab dich gesehen, Bruder.“
Die Übereifrigen, die diese Wohnwagenmieterei zum ersten Mal mitmachen winken gleich mit dem ganzen Arm. Welch Freude einem da entgegenschlägt! Man selbst hat dann beim einfachen Zurückwinken das Gefühl, das englische Understatement verinnerlicht zu haben.
Deutlich komplizierter wird es beim Wandern, kommt hier noch die akustische Komponente hinzu. Die verbale Begrüßung gehört bei einer Wanderung ebenfalls zum guten Ton. Nur – was genau sagt man in solchen Fällen? Ich habe es mit „Hello!“ probiert, nicht zu euphorisch, nicht zu lasch. Zurück kam ein kompaktes „Hi!“.
Beim nächsten Mal war ich schlauer, versuchte es gleich mit „Hi“. Als Antwort gab es ein „Hi there“, das sich bei der darauffolgenden Gelegenheit recyclen ließ. Quittiert wurde es mit einem unzeremoniellen „Hey!“. Doch auch das schien nicht der Schlüssel zum Begrüßungserfolg zu sein. Auf mein locker vorgetragenes „Hey“ gabs ein „Hiya“ zurück, das ich voller Verzweiflung aufgriff, um mit einem „Cheers“ überrascht zu werden. Ich schlug im Wörterbuch nach, weil ich das nur aus Kontexten kannte, in denen Alkohol eine zentrale Rolle spielte.
Ich habe, glaube ich, jetzt die Regel raus: Sie dürfen auf eine Begrüßung nie mit derselben Formel antworten. Aber hallo!