Laima und Louis: 2 Menschen, 4 Länder, 8 Sprachen

Ein Portugiese, der Japanisch spricht – wenn das nicht ungewöhnlich ist. Das ist Louis, 27. Eine junge Mutter mit litauischen Wurzeln, die sich in 5 verschiedenen Sprachen zu Hause fühlt. Das ist Laima, 32. Beide wohnen in Hamburg. Ich habe sie befragt: zu den Sprachen, die sie täglich benutzen, und zu den Kulturen, in denen sie sich bewegen.

Eure Sprachkombinationen sind faszinierend. Wann benutzt ihr welche Sprache?

Louis: Portugiesisch spreche ich zu Hause mit der Familie, wobei da oft ein Mischmasch entsteht und schon mal von »o Schrank« die Rede ist oder auch Sätze wie »Dá-me a Gabel!« fallen, wenn man möchte, dass einem die Gabel gereicht wird. Japanisch spreche ich in Japan und auch hier in Deutschland. Ich spiele in einer Fußballmannschaft, in der viele Japaner sind.

Laima: In der Heimat in Litauen spreche ich mit der Familie polnisch und mit den Freunden litauisch. Und wenn jemand dazukommt, der beide Sprachen nicht beherrscht, wird spontan auf Russisch umgeschaltet. Wenn ich meine Schwester in England besuche und mein Freund dabei ist, sprechen wir englisch – und für die Eltern dolmetsche ich dann.

Warum habt ihr euch ausgerechnet für die Fremdsprachen entschieden, die ihr sprecht?

Laima: Mich hat die Liebe nach Deutschland geführt. Da bin ich einfach ins kalte Wasser gesprungen: Ich habe mich hier gleich für einen Intensivsprachkurs angemeldet, weil ich kein Wort Deutsch sprach, und mich ein halbes Jahr später an der Universität eingeschrieben. Zuerst habe ich dort nicht viel verstanden, doch dann klappte es immer besser.

Louis: Ich hatte während meiner Schulzeit beschlossen, ins Ausland zu gehen, wollte möglichst weit weg. Es sollte etwas Ausgefallenes sein. Deshalb hatte ich mich für ein Jahr in Japan, Brasilien oder in den USA beworben und Japan ist es dann geworden. So bin ich ohne Japanischkenntnisse in das Land gereist und habe es nie bereut.

Und wie ist das mit dem Deutschen – wie war es, die Sprache zu lernen?

Louis: Ich bin hier geboren, daher war das kein Thema. Aber ich weiß, dass Japaner Schwierigkeiten mit dem Deutschen haben. Sie beherrschen die Grammatik zwar perfekt, doch mit dem Reden klappt es gar nicht so gut. Sie wollen keine Fehler machen und sich nicht blamieren.

Laima: Ja, Deutsch ist schwierig, schon allein wegen der vielen Ausnahmen. Früher habe ich kleine Kinder beneidet, die mit ihren Müttern deutsch sprachen. Sie plapperten einfach drauflos und für mich war es damals eine Menge Arbeit.

Nennt mir doch eine Besonderheit eurer Muttersprache.

Louis: Nun, ich als Portugiese habe vier Nachnamen, zwei von der Mutter, zwei vom Vater. Das ist bei Klausuren an der Uni schon lästig, weil ich da immer mit vollem Namen unterschreiben muss. Ich habe schon darüber nachgedacht, mir einen Stempel anfertigen zu lassen (lacht).

Laima: Oh, da fällt mir vieles ein: Anhand der Endung des Nachnamens kann man im Litauischen feststellen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt – und ob diese verheiratet ist. Heißt der Mann Zinkevičius, so heißt seine Frau Zinkevičienė und die unverheiratete Tochter Zinkevičiūtė. Obwohl es in letzter Zeit Tendenzen zur Neutralisierung der Nachnamen gibt. In diesem Fall würde die Frau den neutralen Nachnamen Zinkevičė tragen. Die Vornamen wiederum sind oft Wörter, die eine Entsprechung in der Natur haben. Eine Freundin von mir heißt »Fichte«, ihre Tochter »Minze«: Eglė und Mėta.

Louis, welche Besonderheiten gibt es im Japanischen?

Louis: Ich will mal eine nennen. Es gibt da eine ungewöhnliche Grammatikform: das »Leidpassiv«. Werde ich von etwas negativ beeinflusst, kann ich das mit einem Passiv ausdrücken. Werde ich nass, weil es regnet, kann ich sagen: »Ich werde beregnet.« Diese Konstruktion ist im Deutschen nicht möglich.

Welche eurer Sprachen gefällt euch am besten?

Louis: Das Japanische mag ich sehr, vor allem wegen der Lautmalereien. Das japanische Wort für Mikrowelle zum Beispiel enthält den Bestandteil »tsching«, der einen an das charakteristische Geräusch erinnert, das eine Mikrowelle macht, wenn die Zeit abgelaufen ist. »Tsching« eben.

Laima: Ich mag Deutsch mittlerweile sehr gerne. Aber wenn ich ein litauisches Buch zur Hand nehme, dann finde ich mich in die Heimat versetzt. Litauisch ist meine Heimat.

Was habt ihr Interessantes in den anderen Kulturen erlebt?

Louis: Das Klischee vom unpünktlichen Portugiesen bestätigt sich immer wieder. Mein Vater hatte sich einmal Urlaub genommen, um Bauarbeiten an unserem Haus in Portugal zu koordinieren. Die bestellten Bauarbeiter tauchten leider erst an seinem letzten Urlaubstag auf. Und weil er es gar nicht mag, wenn jemand sagt: »Ich besuche dich irgendwann zwischen Montag und Dienstag«, ist er selbst pünktlich. Da bekommt er schon mal zu hören, er sei wie ein Deutscher.

Laima: In Litauen sind die Busfahrer oft schlecht gelaunt. Wie alle anderen Verkehrsteilnehmer dort wollen auch sie die Schnellsten sein, als Erste am Ziel ankommen; sie drängeln. Deshalb sagen viele meiner Landsleute, die deutschen Autofahrer seien wie Ameisen: Sie fahren sehr rücksichtsvoll und geordnet. Hier in Deutschland sind die Busfahrer sehr entspannt. Man kann mit ihnen sogar quatschen – in Litauen völlig undenkbar.

Louis: Wenn man Japaner nach dem Weg fragt, kann das zu Problemen führen. Viele zeigen einem tatsächlich den richtigen Weg. Andere aber, die keine Ahnung haben, schicken einen in die falsche Richtung, um überhaupt etwas gesagt zu haben. Hauptsache, sie haben geantwortet und waren nicht unhöflich. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen.

Danke euch beiden für das Gespräch!

Interessieren dich vielsprachige Menschen? Dann schau in das Interview „Man muss jede Sprache anders lernen“, in dem ich jemanden vorstelle, der als Deutscher unter anderem Arabisch, Persisch, Türkisch und Polnisch gelernt hat.

Titelfoto: © iStock/Mauro_Repossini

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